Der Maulwurf und der Teufel
Drei Feldhasen saßen beieinander auf einer Wiese. Plötzlich wölbte sich vor ihnen die Erde empor. Erschrocken fuhren die Hasen zurück, und einer von ihnen suchte in langen Sprüngen das Weite. „Mein Gott, wie bin ich erschrocken! Ich dachte schon, der Leibhaftige fahre aus der Erde!“ rief einer der beiden zurückgebliebenen Hasen.“Fast hätte ich auch die Flucht ergriffen!“ „Ich bin auch erschrocken“, meinte der andere, „aber mir war auch schnell klar, daß das Gevatter Maulwurf war.“ - „Ob er wohl da unten dem Teufel schon einmal begegnet ist?“ sagte der eine Hase. „Wir können ihn ja fragen“, meinte der andere, dann rief er:“He, Gevatter Maulwurf, wir möchten dich mal was fragen!“ – Als sich der Rüssel und der Kopf des Maulwurfs aus dem Erdhaufen geschoben hatten, sagte der andere Hase:“Gevatter Maulwurf, du bist doch sicher schon einmal dort unten in deinen Gängen dem Teufel begegnet und kannst uns sagen, wie er aussieht!“ Der Maulwurf antwortete:“Selbst, wenn ich da unten etwas sehen könnte, könnte ich dem Teufel nicht begegnet sein, denn man kann den Teufel nicht sehen ; er ist aber immer da, immer dort, wo wir sind, denn wir haben ihn in uns. Und immer wieder einmal gelingt es ihm, sich in unsere Gedanken einzunisten , und dann kann er Einfluß darauf nehmen, was wir sagen und wie wir uns verhalten. – Kürzlich habe ich zugehört, wie ihr euch hier auf der Wiese unterhalten habt, laut genug wart ihr ja, und ich habe mitbekommen, wie ihr euch eure Mäuler über eure Mithasen zerrissen habt: Da hätten sich doch kürzlich mehrere Stallhasen erdreistet, die Forderung zu erheben, nächstes Jahr müsse auch Stallhasen das Recht eingeräumt werden, als Osterhasen zu fungieren. – Stallhasen als Osterhasen! Man solle sich das doch einmal vorstellen, nach ihrem eigenen Mist stinkende, fette Stallhasen! Denen würde doch kein Huhn auch nur ein einziges Ei geben! Die würden selbst dann kein Ei bekommen, wenn die Hühner den grauenhaften Stallhasendialekt verstehen würden, und die Stallhasen seien ja sowieso zu dumm, um Eier färben zu können. Und die Menschen seien es doch gewohnt , daß ausschließlich Feldhasen als Osterhasen in Erscheinung treten und würden die Stallhasen ja auch gar nicht aus den Ställen lassen. Da müßten noch die Feldhasen die Menschen bitten, die Stallhasen freizulassen, damit diese Fettwänste mit ihren lahmen Löffeln zu Osterhasen würden, was ja sowieso niemals sein könnte. Ein Stallhase könne auf gar keinen Fall ein richtiger Osterhase werden. Und das hätte ja gerade noch gefehlt, daß auch nur ein einziger Feldhase einen einzigen Menschen bitten würde, auch nur einen einzigen Stallhasen auch nur aus seinem Stall herauszulassen.- Der Osterhasendienst sei ein Ehrendienst und werde seit Hasengedenken ausschließlich von Feldhasen ausgeübt. – Und selbst über Feldhasen habt ihr euch die Mümmelmäuler zerrissen. – Hoffentlich, hieß es da, würden nicht auch noch solche Feldhasen die Osterhasenwürde begehren, die in letzter Zeit immer häufiger von weit weg hierher kämen und sowieso auch Futter fressen würden, das doch von alters her den einheimischen Feldhasen zustehe. Diese Fremdhasen seien zwar dem Aussehen nach Feldhasen, hätten auch meist Feldhasennamen, würden aber die Feldhasenhochsprache nur gebrochen sprechen; zumindest aber hätten sie einen auffallenden Akzent. So was und Osterhasen! Das gehe doch nun wirklich nicht ! – Und einer von euch Herren Feldhasen zeterte dann noch, es seien ja hin und wieder schon Feldhasen mit gelblichem Fell und mit Schlitzaugen gesichtet worden. Das sei ja nicht auszudenken : schlitzäugige Osterhasen;da würden die Kinder der Menschen ja das kalte Grausen kriegen! - Ein Fremdhase, ob ohne oder mit Schllitzaugen könne nun mal kein Osterhase sein. Und die Fremdhasen sollten sich doch gefälligst Futter suchen, das die einheimischen Feldhasen nicht so mögen. Es gebe genug solches Futter, und die einheimischen Feldhasen könnten ja den Fremdhasen anfangs bei der Futtersuche behilflich sein. – Selbst über einheimische Feldhasen seid ihr Herrenhasen hergezogen: Manchen einheimischen Feldhasen müsse doch die Osterhasenwürde entzogen werden. – Da sei einer letztes Jahr an Ostern immer noch als Osterhase gegangen, der auf einem Auge blind sei.Wie wolle der denn die Eier noch richtig färben können?- Und einer wolle noch als Osterhase gelten, der nicht mehr ganz richtig in seinem Hasenkopf sei. Dem müsse sofort verboten werden, noch jemals als Osterhase aufzutreten, und der gehöre sowieso eingesperrt wie ein Stallhase.– So, jetzt habe ich euch Herrenfeldhasen genug ins Gewissen geredet. Euer Gewissen müßte jetzt geschärft sein, und ein geschärftes Gewissen meldet einem zuverlässig, wenn der Teufel am Werk ist, wenn er Einfluß nehmen will auf Worte und Taten. – Soll mich aber keiner mehr fragen, wie der Teufel aussehe!" Der Maulwurf sprach's, und sein Kopf und sein Rüssel verschwanden wieder in seinem Hügel.