Meine Fünfziger

Wie häßlich sie waren,
die fünfziger Jahre,
häßlich:
schwarzweiß, steril,
spießig und eng.

Voller neureicher Kapitalisten,
Vergangenheit, Mittäterschaft
verdrängend,
voll von alten Nazis auch;
für nicht wenige von ihnen,
darunter auch Täter,
war dieses fünfte Jahrzehnt
die Basis
für Zweitkarrieren.

So sagten sie immer wieder,
die Achtundsechziger.

Und es ist wahr,
was sie sagten.
Aber wahr ist auch,
daß ich nichts wußte
von alledem,
damals,
als ich es voller Hunger
nach Leben durchschritt,
dieses Jahrzehnt,
mit zwölf, mit fünfzehn,
mit achtzehn, mit zwanzig Jahren,
durchschritt, nicht durcheilte,
und täglich Neuland betrat.

Damals blühten sie, blühten weit,
weit hinein in die Welt,
der Kindheit letzte Jahre:
auf Du und Du
mit den Wäldern,
mit den Felsen,
denen ich Namen gab,
als wären es meine Kinder;
mit allen Sinnen
erlebt, vereinnahmt
dich,
unsagbar schöne
Natur!
Und du, wie eine Mutter,
hast dich an keinem
der vielen Tage
in jenem Jahrzehnt
mir verweigert.

Freunde -  in diesen Jahren:
Indianer wie ich,
waldverliebt wie ich,
Hundenarren wie ich,
begeistert vom lodernen Feuer,
um das sich schloß unser Kreis,
den nichts und niemand durchbrach.

Auch dies in den Fünfzigern:
von der Kindheit
zur frühen Jugend.
Tagträumer immer noch,
Freunde, immer noch mehr,
Fahrradromantiker wir alle:
in einem der endlosen Sommer
auf dem Rad
nach Süden,
 weit,
bis zum Meer,
jenseits dessen wir Afrika wußten.

Manchmal aus Mädchenaugen
vom Blitz getroffen,
unfähig zur Reaktion,
liebeskrank
für Wochen, für Monate;
mit Fußballverrücktheit
weggepowert den Frust,
aufgepäppelt die Psyche.

Und im schönsten
aller Sommer
dieses Jahrzehnts
der ersten Liebe
unsagbar
köstliche Fülle:
 Du mit dem schwarzen Haar,
du mit dem dunklen Blick,
du in dem weißen KLeid,
wir beide
einander so nah,
und unstillbar der Hunger,
der Hunger
nach Nähe,
Berührung und Küssen
im lichtdurchfluteten Wald.